Johann Wolfgang Goethe









Johann Wolfgang von Goethe, Ölgemälde von Joseph Karl Stieler, 1828 (es handelt sich, wie der Dichter selbst anmerkte, um eine idealisierende Darstellung)[1]













Goethes Signatur







Johann Wolfgang von Goethe, geadelt 1782 (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar; auch Göthe), war ein deutscher Dichter. Er forschte und publizierte außerdem auf verschiedenen naturwissenschaftlichen Gebieten. Ab 1776 bekleidete er am Hof von Weimar wechselnde politische und administrative Ämter.



Goethes literarische Produktion umfasst Gedichte, Dramen, erzählende Werke (in Vers und Prosa), autobiografische, ästhetische, kunst- und literaturtheoretische sowie naturwissenschaftliche Schriften. Auch sein umfangreicher Briefwechsel ist von großer literarischer Bedeutung. Goethe war ein Vorreiter und der wichtigste Vertreter des Sturm und Drang. Sein Roman Die Leiden des jungen Werther machte ihn 1774 in ganz Europa berühmt. Später wandte er sich inhaltlich und formal den Idealen der Antike zu und wurde ab den 1790-er Jahren, gemeinsam mit Friedrich Schiller und im Austausch mit diesem, zum wichtigsten Vertreter der Weimarer Klassik. Im Alter galt Goethe auch im Ausland als Repräsentant des geistigen Deutschland.



Während die Wertschätzung Goethes nach seinem Tode zunächst abnahm, wurde er im Deutschen Kaiserreich ab 1871 „zum Kronzeugen der nationalen Identität der Deutschen“.[2] Auch die Weimarer Republik berief sich auf den „Geist von Weimar“. Bis heute gilt Goethe als bedeutendster deutscher Dichter, sein Werk wird zu den Höhepunkten der Weltliteratur gezählt.



Leben



Herkunft und Jugend



Johann Wolfgang von Goethe wurde am 28. August 1749 im heutigen Goethe-Haus am Frankfurter Großen Hirschgraben geboren. Der Vater Johann Caspar Goethe (1710–1782) war Jurist, übte diesen Beruf jedoch nicht aus, sondern lebte von den Erträgen seines Vermögens, das später auch dem Sohn ein Leben ohne finanzielle Zwänge ermöglichen sollte.[3] Er war vielseitig interessiert und gebildet, jedoch auch streng und pedantisch, was wiederholt zu Konflikten in der Familie führte.



Goethes Mutter, Catharina Elisabeth Goethe, geb. Textor (1731–1808), entstammte einer wohlhabenden und angesehenen Frankfurter Familie; ihr Vater war als Schultheiß der erste Mann am Ort. Die lebenslustige und kontaktfreudige Frau hatte mit 17 Jahren den damals 38-jährigen Rat Goethe geheiratet. Nach Johann Wolfgang wurden noch vier weitere Kinder geboren, von denen jedoch nur die wenig jüngere Schwester Cornelia das Kindesalter überlebte. Mit ihr stand der Bruder in einem engen Vertrauensverhältnis.



Die Geschwister erhielten eine aufwändige Ausbildung. Von 1756 bis 1758 besuchte Johann Wolfgang eine öffentliche Schule. Danach wurde er gemeinsam mit der Schwester vom Vater sowie durch Hauslehrer unterrichtet. Auf dem Stundenplan standen u.a. Französisch, Englisch, Italienisch, Latein, Griechisch, naturwissenschaftliche Fächer, Religion und Zeichnen. Außerdem lernte er Cello und Klavier spielen, Reiten, Fechten und Tanzen.



Schon früh kam der Junge in Kontakt mit Literatur. Das begann mit den Gute-Nacht-Geschichten der Mutter und der Bibellektüre in der frommen, lutherisch-protestantischen Familie. Zu Weihnachten 1753 bekam er von der Großmutter ein Puppentheater geschenkt. Für diese Bühne schrieb er seine ersten Stücke und führte sie mit Begeisterung gemeinsam mit Freunden auf. Gelesen wurde viel im Hause Goethe; der Vater besaß eine Bibliothek von rund 2.000 Bänden. So lernte Goethe schon als Kind unter anderem das Volksbuch vom Dr. Faust kennen. Im Zuge des Siebenjährigen Krieges war von 1759 bis 1761 ein hochgebildeter französischer Offizier im Elternhaus einquartiert. Ihm und der mitgereisten Schauspieltruppe verdankte Goethe seine erste Begegnung mit der französischen Dramenliteratur.



Studium und erstes dichterisches Schaffen



Leipzig



Auf Weisung des Vaters begann Goethe im Herbst 1765 ein Jurastudium in Leipzig. Im Gegensatz zum altfränkischen Frankfurt war Leipzig eine weltoffene, mondäne Stadt. Goethe musste sich zunächst in Kleidung und Umgangsformen dem eleganten Lebensstil anpassen, um von seinen neuen Mitbürgern und -bürgerinnen akzeptiert zu werden.



Das Pflichtstudium begann er schon bald zu vernachlässigen. Er besuchte lieber die Poetikvorlesungen von Christian Fürchtegott Gellert, der von den poetischen Versuchen seines Schülers allerdings wenig hielt. Eine wichtige Begegnung war die mit dem Maler Adam Friedrich Oeser, bei dem er den Frankfurter Zeichenunterricht fortsetzte und der ihn mit den Lehren Johann Joachim Winckelmanns und dessen an der Antike orientiertem Kunstideal vertraut machte. Oeser förderte zudem Goethes Kunstverständnis und künstlerisches Urteilsvermögen. Bei einem Kupferstecher erlernte Goethe die Techniken des Holzschnitts und der Radierung.



Der 16- und 17-Jährige genoss aber auch die Freiheiten fern des Elternhauses. Er besuchte Theateraufführungen oder verbrachte die Abende mit Freunden beim Bier, beispielsweise in Auerbachs Keller. In die Leipziger Zeit fiel Goethes erste Verliebtheit. Die Romanze mit der Handwerkertochter Käthchen Schönkopf wurde nach zwei Jahren im gegenseitigen Einvernehmen wieder gelöst. Die Gefühlsaufwallungen dieser Jahre beeinflussten Goethes Schreibstil; hatte er zuvor schon Gedichte im regelgerechten Stil des Rokoko verfasst, so wurde ihr Tonfall nun freier und stürmischer. Eine Sammlung von 19 Gedichten, abgeschrieben und illustriert von seinem Freund Ernst Wolfgang Behrisch ergab das Buch Annette. Eine weitere kleine Gedichtsammlung wurde 1769 unter dem Titel Neue Lieder als erstes von Goethes Werken gedruckt.



Im Juli 1768 erlitt Goethe einen „Blutsturz“ (wahrscheinlich Tuberkulose). Halbwegs wieder reisefähig, kehrte er im August ins Elternhaus zurück.



Frankfurt und Straßburg



Die lebensbedrohliche Erkrankung erforderte eine lange Rekonvaleszenz und machte ihn empfänglich für die Vorstellungen des Pietismus, die eine Freundin der Mutter, die Herrnhuterin Susanne von Klettenberg ihm nahebrachte. Er beschäftigte sich außerdem mit mystischen und alchemistischen Schriften, eine Lektüre, auf die er später im Faust zurückgreifen sollte. Unabhängig davon verfasste er in dieser Zeit sein erstes Lustspiel Die Mitschuldigen‘.



Im April 1770 setzte Goethe sein Studium in Straßburg fort. Diesmal widmete er sich zielstrebiger den juristischen Studien, fand aber auch Zeit, eine ganze Reihe persönlicher Bekanntschaften anzuknüpfen. Die wichtigste davon war die mit dem Theologen, Kunst- und Literaturtheoretiker Johann Gottfried Herder. Der Ältere öffnete ihm die Augen für die ursprüngliche Sprachgewalt von Autoren wie Homer, Shakespeare und des Ossian sowie der Volkspoesie und gab so entscheidende Impulse für Goethes dichterische Entwicklung. Später sollte er auf Goethes Initiative hin in weimarische Dienste berufen werden.



Auf einem Ausritt in die Umgebung lernte er in Sesenheim die Pfarrerstochter Friederike Brion kennen und lieben. Bei seiner Abreise aus Straßburg beendete der bindungsscheue junge Goethe die Beziehung; die an Friederike gerichteten Gedichte, die später als ‚Sesenheimer Lieder‘ bekannt wurden (u.a. Willkommen und Abschied, Mailied, Heidenröslein) waren in ihrer Ausdruckskraft „der revolutionäre Beginn einer neuen lyrischen Epoche“.[4]



Im Sommer 1771 reichte Goethe seine juristische Dissertation ein, die allerdings wegen einiger darin enthaltener gegen die Kirche gerichteter ‚Ketzereien‘ nicht angenommen wurde. Jedoch bot die Universität ihm die Möglichkeit, das Lizenziat zu erwerben, das dem Doktortitel fast gleichwertig war. Dazu musste er 56 selbsterstellte Thesen in einer lateinisch geführten Disputation verteidigen, was ihm offenbar überzeugend gelang. Im August 1771 schloss Goethe sein Studium ‚cum applausu‘ ab.



Zeit des Sturm und Drang



Zurück in Frankfurt, eröffnete Goethe eine kleine Anwaltskanzlei, die bei bald nachlassendem Interesse und geringem Arbeitseifer des frischgebackenen Juristen vier Jahre lang bis zur Abreise nach Weimar bestehen blieb. Wichtiger als der Anwaltsberuf war Goethe die Dichtung. Ende 1771 brachte er — innerhalb von sechs Wochen — die ‚Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand‘ zu Papier. Nach einer Überarbeitung wurde das Drama 1773 als Götz von Berlichingen im Selbstverlag veröffentlicht. Das mit allen überlieferten dramatischen Regeln brechende Werk fand begeisterte Aufnahme und gilt als das Gründungsdokument des Sturm und Drang.[5]



Im Mai 1772 — also zwischen den beiden Niederschriften des Götz — schrieb Goethe sich, wiederum auf Drängen des Vaters, als Praktikant beim Reichskammergericht in Wetzlar ein. Sein dortiger Kollege Johann Christian Kestner beschrieb den damaligen Goethe: „Er besitzt, was man Genie nennt, und eine ganz außerordentliche Einbildungskraft. Er ist in seinen Affekten heftig. Er hat eine edle Denkungsart. Er ist ein Mensch von Charakter. […] Er ist bizarre und hat in seinem Betragen, seinem Äußerlichen verschiedenes, das ihn unangenehm machen könnte. Aber bei Kindern, bei Frauenzimmern und vielen andern ist er doch wohl angeschrieben. Er tut, was ihm gefällt, ohne sich darum zu kümmern, ob es anderen gefällt, ob es Mode ist, ob es die Lebensart erlaubt. Aller Zwang ist ihm verhaßt […] “.[6]









Die Leiden des jungen Werthers, Erstdruck von 1774 (bei einer späteren Überarbeitung entfiel das Genitiv-s)









Wieder schenkte Goethe den juristischen Studien wenig Aufmerksamkeit. Statt dessen befasste er sich mit den antiken Autoren und verliebte sich in Charlotte Buff, Kestners Verlobte. Als nach wenigen Monaten die Situation zu eskalieren drohte, verließ er Wetzlar fluchtartig. Anderthalb Jahre später verwob er diese Erfahrung sowie weitere eigene und fremde Erlebnisse in dem Roman Die Leiden des jungen Werther, den er Anfang 1774 innerhalb von nur vier Wochen niederschrieb. Das hoch emotionale Werk machte seinen Autor binnen kurzem in ganz Europa berühmt. Goethe selbst erklärte den ungeheuren Erfolg des Buches und das von ihm ausgelöste ‚Wertherfieber‘ später damit, dass es genau die Bedürfnisse der damaligen Zeit getroffen habe. Der Dichter selbst rettete sich mit der schöpferischen Arbeit am Werther aus einer eigenen krisenhaften Lebenssituation: Ich fühlte mich, wie nach einer Generalbeichte, wieder froh und frei, und zu einem neuen Leben berechtigt.[7]



Die Jahre zwischen der Rückkehr aus Wetzlar und der Abreise nach Weimar gehörten zu dem produktivsten in Goethes Leben. Außer dem Werther entstanden die großen Hymnen (u.a. Ganymed, Prometheus und Mahomets Gesang), mehrere Kurzdramen (u.a. das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern und Götter, Helden und Wieland) sowie die Dramen Clavigo und Stella. Ein Schauspiel für Liebende. Auch griff Goethe in dieser Zeit zum ersten Mal den Fauststoff auf.



Zu Ostern 1775 verlobte Goethe sich mit der Frankfurter Bankierstocher Lili Schönemann. Die Beziehung litt bald unter der Unvereinbarkeit der Familien in Milieu und Lebenssstil, zudem fürchtete der Dichter, eine Ehe mit seinen Lebensplänen nicht vereinbaren zu können. Um Abstand zu gewinnen, folgte er einer Einladung der Brüder Christian und Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg zu einer mehrmonatigen Reise durch die Schweiz. Im Oktober wurde die Verlobung aufgelöst. Goethe, der unter der Trennung sehr litt, nahm nun eine Einladung des 18-jährigen Herzogs Karl August zu einer Reise nach Weimar an.



Minister in Weimar









Johann Wolfgang von Goethe, Postkarte nach einem Gemälde von Georg Oswald May, 1779









Im November 1775 erreichte Goethe Weimar. Die Hauptstadt des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach zählte rund 6.000 Einwohner (das Herzogtum rund 100.000), war aber dank des Wirkens der Herzoginmutter Anna Amalia im Begriff, sich zu einem kulturellen Zentrum in Deutschland zu entwickeln. Goethe gewann schnell das Vertrauen des Herzogs. Als dieser ihm vorschlug, bei der Leitung des Staates mitzuwirken, nahm Goethe nach einigem Zögern an. Dabei bestimmte ihn das Bedürfnis nach praktisch-wirksamer Tätigkeit: „Wär’s auch nur auf ein paar Jahre, ist doch immer besser als das untätige Leben zu Hause wo ic



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